Obdachlose Menschen

Was bedeutet es, "ohne Obdach" zu sein? Keine Heimat in der eigenen Heimat zu haben oder keine Heimat an einem anderen Ort zu finden ...

Ich habe in der Vergangenheit viele Gespräche geführt.

Mit jungen und mit älteren Obdachlosen. In Hannover, in Worms, in Mannheim, in München ... überall dort, wo ich jene - meist am Bahnhof - getroffen habe.

Obdachlose Menschen

Obdachlos ist nicht gleich Obdachlos, so wie nicht Mensch gleich Mensch ist.

Da gibt es den jungen, der über die Punker schimpft. Warum? Weil man ihm seinen Hund weggenommen hat, seinen Freund und Begleiter. Und die Punker gegenüber behandeln ihre Hunde schlecht, erzählt er mir. Warum dürfen diese ihre Tiere behalten?

Da gibt es den Menschen, der schon immer "leger" gelebt hat. Früher gab es immer und überall Arbeit. Er erzählt mir, dass er einmal sehr gut verdient hat. Aber die Zeiten haben sich leider geändert. Aber er ist freundlich - und als wir uns nach Jahren wieder treffen, lädt er mich zum Kaffee ein ...

Und dann ist da der Mann, der immer wieder zum Laden meiner Frau kam und dort eine warme Suppe erhielt. Man verjagte ihn irgendwann, weil er nicht so gut roch ... In klirrender Kälte brachte ich ihm ein paar Handschuhe und etwas Geld. Irgendwann brachte er uns einmal aus Dank Streichhölzer ...

Ein paar Streichholzbriefchen mögen manchem lächerlich erscheinen - wer aber friert, für den ist jeder Funke ein bisschen Wärme. Und Herzenswärme kann man niemals in Geld oder Gold aufwiegen ...

Ich denke an viele Gesichter, denen ich begegnet bin und ich erinnere mich mit Freude an jene, die aufrecht dastehen: am Bahnhof oder in der Fußgängerzone und ihr Straßenmagazin verkaufen. "Asphalt" in Hannover, "Biss" in München oder "Motz" in Berlin. Es ist eine wunderbare Möglichkeit für unsere Mitmenschen, sich etwas zu verdienen und einer Beschäftigung nachzugehen. Und obwohl sie sozial am Rande der Gesellschaft stehen, sind sie doch fester Bestandteil. Sie harren aus in Geduld und Freundlichkeit, egal bei welchen Temperaturen.

Ich habe eine Zeitlang meiner Frau auf dem Weihnachtsmarkt geholfen. Wie froh war ich, als der Tag um war und ich nach Hause gehen durfte, eine warme Dusche nehmen, wissend, dass der Weihnachtsmarkt bald zu Ende geht ...

Ich kaufe sehr gerne Straßenmagazine. Sie sind interessant und informativ. Und sie repräsentieren die Sicht jener Mitmenschen, die uns allen etwas lehren können: Demut, Geduld und Dankbarkeit. Denn ohne diese Tugenden könnte keiner von ihnen diese Arbeit machen.

Wenn 1000e von Menschen an Dir vorbeirauschen, Dich meiden, Dich belächeln, womöglich Bemerkungen über Dich machen, und nur ab und an mal einer anhält, da muss man diese Tugenden entwickeln ...

Und jene, die keine Straßenmagazine verkaufen? Jene, die "einfach so" dasitzen und betteln?

Ich habe irgendwann einmal überlegt: tut es mir weh, wenn ich an drei Obdachlosen vorübergehe und jedem ein paar Cent gebe?

Statt einem Menschen einen Euro aus schlechtem Gewissen heraus, jedem 10-40 Cent aus Prinzip.

Bei diesem Prinzip würde jeder genug erhalten und jeder von uns bräuchte nur wenig zu geben. Schön, oder?

Und wer mehr tun möchte, z.B. eine Straßenzeitung abonnieren oder einen bestimmten Obdachlosen direkt unterstützen, der kann sich ja mal informieren.

Es kostet nicht viel, Menschen mit wenig etwas Freude zu schenken ... Wie schwer erscheint es dagegen uns, die wir im Übermaß leben und uns anmaßen, wir wären etwas "Besseres" ...

Besser ist, wir nehmen unsere Mitmenschen wahr. Weil sie nicht weniger oder mehr wert sind, sondern genauso lebendig sind wie wir und das selbe Recht haben, am Leben teilzuhaben ...